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Elmar Tophoven - zwischen Büchern und Bändern

von Erika Tophoven

Das Interesse für Sprachen liegt bei Tophovens in der Familie. Schon früh drangen drei Sprachen an das Ohr des kleinen Jungen: die Mutter, gebürtig aus Haarlem, sprach holländisch, der Vater deutsch, und dazwischen mischte sich das niederrheinische Platt. Der Vater, Landarzt, lernte aus reiner Lust eine Sprache nach der andern. Die Stapel von Vokabelheften, die er füllte, stützen heute die Reihen der von uns übersetzten Bücher. Die letzte Eintragung in sein italienisches Vokabelheft war das Wort „IL COMPÌTO“ - die Aufgabe. Als Beckett es sah, bemerkte er sofort: „Falscher Akzent!“ Die Betonung liegt auf der ersten Silbe. Aber er entschuldigte sich gleich wieder ob dieser Besserwisserei. Wie bezeichnend für ihn, der nie den Besserwisser herauskehrte, nie seine haushohe Überlegenheit spüren ließ. Der Ausschnitt aus dem Vokabelheft hing vergrößert überm Schreibtisch meines Mannes, jedoch nicht als Ermahnung wie zu Schulzeiten, als der Vater seinem Sohn verordnete, „Wenn du am Sonntag nicht in die Kirche gehst, dann lerne gefälligst deine lateinischen Vokabeln!“ Dazu blieb bald gar keine Zeit mehr. Mit Siebzehn Notabitur, Arbeitsdienst, Soldat. 1941 in Frankreich. Dort nutzte er die Zeit, sein Schulfranzösisch zu verbessern, nahm Privatstunden, schrieb Briefe an den Vater auf Französisch, die dieser mit Rotstift korrigierte. Nach Einsatz an der Ostfront und von Flecktyphus kaum genesen, kam er als Sanitäter nach Italien, von wo aus er mit seinem Vater bald italienische Briefe wechselte. Bei Kriegsende amerikanische Gefangenschaft in einem Lager auf französischem Boden. Die Gefangenen bekamen die Möglichkeit, ein Theater zu bauen, aber es fehlte an Stücken. Ein französischer Polizist besorgte eine Farce von Molière Le médecin malgré lui“ (Arzt wider Willen). Es war Elmar Tophovens erste Übersetzung. Er war 22 Jahre alt.
Auf ein paar Semester Theaterwissenschaften in Mainz folgen drei Jahre als Deutsch-Lektor an der Sorbonne. Neben seiner Lehrtätigkeit konnte er bald auch Erfahrungen als Übersetzer von Theaterstücken und Hörspielen sammeln. Es war vor allem Arthur Adamov, ein französisch schreibender Dramatiker armenischer Herkunft, selbst Übersetzer von Kleist, Büchner und Rilke, der ihm seine Stücke anvertraute. Adamov nahm ihn im Januar 1953 mit zur Premiere von En attendant Godot. Während die ersten Zuschauer schon unter Protest den Saal verließen, beschloss Elmar Tophoven, dieses Stück zu übersetzen, allerdings ohne vertragliche Absicherung! Nach drei Wochen, so erzählte er immer, war die Rohfassung fertig. Es wurde Zeit, denn inzwischen waren durch das große Echo in der Presse offenbar auch andere auf das Stück aufmerksam geworden. Er konnte seine Übersetzung dem Verleger auf den Tisch legen und bekam kurz darauf ein erstes ermutigendes Echo von Samuel Beckett. Es war der Anfang einer fünfunddreißigjährigen Zusammenarbeit, die erst mit dem Tod von Übersetzer und Autor 1989 endete.
Als ich im Herbst 1956 mein Sprachstudium in München abschloss, stand der Beruf eines Literaturübersetzers nicht eben hoch im Kurs. Ich hatte daher auch den Fachbereich Wirtschaft gewählt, nicht ahnend, dass ich bereits ein paar Wochen später an einem hochliterarischen Text mitarbeiten würde, nämlich an der Übertragung des Hörspiels All That Fall / Alle, die da fallen von Samuel Beckett. Aus meinem für sechs Wochen geplanten Aufenthalt in der Seine-Stadt wurden vierzig Jahre, und ich habe auch heute noch immer einen Koffer in Paris.
Mit All That Fall begann für Beckett wie für Elmar Tophoven ein neuer Arbeitsabschnitt. Beckett, der zehn Jahre lang alle seine Werke auf Französisch geschrieben hatte, kehrte zurück zu seiner Muttersprache, nicht nur mit diesem Hörspiel sondern auch mit den Theaterstücken Krapp’s Last Tape und Happy Days, mit weiteren Hör- und Fernsehstücken und Prosatexten. Er übersetzte sich selbst in die eine oder andere Sprache, und man konnte beobachten, dass das Englische für ihn wieder mehr an Bedeutung gewann. Vierhändig versuchten wir, dem zweistimmigen Beckett gerecht zu werden, und als der Suhrkamp Verlag wagte, Becketts dramatische Dichtungen dreistimmig herauszubringen, war das eine verlegerische Tat, verlangte aber von den Übersetzern ein genaues Abstimmen mit dem einen oder anderen Original, ohne Interferenzen durchdringen zu lassen.
Für Elmar Tophoven, der jahrelang seine Stimme als Rundfunk- und Synchronsprecher erprobt hatte, war das Mikrofon ein vertrautes Instrument. Er las gerne vor, wieder eine ausgeprägte Tophovensche Leidenschaft, und es ist nicht verwunderlich, dass er, vielleicht durch Becketts Letztes Band angeregt, sich, sobald es finanziell möglich war, ein Tonbandgerät kaufte und hinfort alle Übersetzungen auf Band sprach. Er erprobte Klang, Rhythmus und Sprechbarkeit der Texte und entdeckte bald, dass sie ihm auch bei den Arbeitstreffen bei Beckett hilfreich sein konnten. Zwei Fassungen des Autors - die englische und / oder die französische – dazu die eigene Übertragung ins Deutsche im Auge zu haben, wurde hinfort dadurch erleichtert, dass die deutsche Übersetzung auf Tonband ablief. So entstanden ca. „70 Stunden Beckett am laufenden Band“. Die kunstlos gesprochenen Aufnahmen haben durch ihre Authentizität, dreißig Jahre später, einen besonderen Reiz und vermitteln den Zuhörern vielleicht einen neuen Zugang zum Werk Samuel Becketts in deutschen Landen.

 

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